Samstag, 30. November 2013

Weihnachtsspezial - Teil 1 von 24

Hier stand bis zum 31. Dezember 2013 der erste Teil unseres Weihnachtsspezials!
Ab dem 1. Januar 2014 finden Sie die Vorlage in unserem Shop unter "Weihnachtliches".
www.historischestickmuster.de



Hier kommt der erste von 24 Ausschnitten des neuen Stickbildes "Frohe Weihnachten 4".
Die Arbeitsanleitung finden Sie auf diesem Blog unter dem Datum des 29. Novembers.
Sie können natürlich jederzeit einsteigen in unsere Stickaktion.
Den Stickplan, bzw. das Schaubild, aus dem ersichtlich wird, wo der entsprechende Abschnitt platziert ist, können Sie per Email (dkandzi@historischestickmuster.de) bei uns jederzeit anfordern.
Nochmal der Hinweis: wir beginnen rechts oben in der Ecke des Tuches.
Und hier zur Orientierung noch einmal die Abbildung des gesamten Mustertuchs:


Und nun ran an die Nadel.
Übrigens, wir haben uns sehr gefreut, dass in den letzten 24 Stunden der Stickplan ca. 50 Mal angefordert worden ist, das lässt doch auf eine ganze Menge Mitstickerinnen schließen. Vielen Dank für Ihren reichlichen Zuspruch und das rege Interesse!

Freitag, 29. November 2013

Weihnachtsspezial

Hier kommen die ersten Hinweise zum Weihnachtsspezial.
Wir veröffentlichen den zu stickenden Ausschnitt jeweils für den Folgetag. Das heißt für den 1. Dezember finden Sie unseren Ausschnitt bereits am 30. November.
Denken Sie daran, dass Sie per Email (dkandzi@historischestickmuster.de)ein Schaubild bestellen können, auf dem ersichtlich ist, wo der veröffentlichte Abschnitt genau liegt.
Am besten markieren Sie sich den ausgedruckten Abschnitt jeweils mit dem Datum
z.B. "Ausschnitt 1. Dezember". Auf unserem Schaubild finden Sie einen Abschnitt, der mit 1. Dezember gekennzeichnet ist.
Wir beginnen mit dem Sticken rechts oben in der Ecke!


Das gesamte Mustertuch hat 192 x 192 Stiche
Sie brauchen ungebleichtes Leinen und Stickgarn in den Farben rot und creme.
Wir haben mit der Seide Soie d`Alger in creme und Nr. 2925 gestickt. Sie können natürlich auch Baumwollsticktwist bekannter Marken wie DMC und MEZ Anchor nehmen. 
Mit der Seide wird einfädig gestickt.

Sie können wahlweise im Kreuzstich oder im Petit Point Stich sticken.
Wenn Sie 12 fädiges Leinen verwenden, wird das Mustertuch im Kreuzstich 32 x 32 cm groß, im Petit Point Stich 16 x 16 cm.
Wenn Sie 14 fädige Leinen verwenden, wird das Mustertuch im Kreuzstich 27,5 x 27,5 cm groß, im Petit Point Stich 13,7 x 13, 7 cm.
Wenn Sie 16 fädiges Leinen verwenden, wird das Mustertuch im Kreuzstich 24 x 24 cm groß, im Petit Point Stich 12 x 12 cm.

Bedenken Sie beim Zuschnitt des Leinens, dass Sie an jeder Seite einen Rand einplanen, falls Sie das Tuch rahmen wollen!

Übrigens unser Ausschnitt oben ist im Petit Point Stich auf 16er Leinen gestickt!

In eigener Sache


Wir weisen noch einmal auf unsere vorweihnachtliche Aktion am morgigen Samstag bei Handarbeiten Kortlücke in Münster hin.
Wir sticken Kleinigkeiten: Knöpfe, Passepartoutkarten und Schmuck!

Und hier noch einmal alle Infos kompakt!
Die Werkstatt für historische Stickmuster bietet  an:
Workshop "Klein aber fein"
Wo? Handarbeiten Kortlüke, Dornbeeckeweg 12, 48161 Münster Tel: 0251-42314
Wann? Samstag, den 30. November von 10.30 -13.00 Uhr
Wie? Anmeldung unter Kortlüke/Jutta Block Tel: 0251-42314
oder Werkstatt für historische Stickmuster 02381-83833
Sie können auch ohne Anmeldung jederzeit dazustoßen oder uns einfach nur über die Schulter schauen! 
 
Und noch etwas:
Denken Sie daran unser Schaubild für das Weihnachtsspezial anzufordern, wenn Sie ab dem ersten Advent mitsticken möchten!

Donnerstag, 28. November 2013

Weihnachts-Spezial - Neue Infos!

Ab dem 30. November schenken wir Ihnen etwas!
Jeden Tag veröffentlichen wir ein kleines Stück der Vorlage unseres Mustertuches "Frohe Weihnachten 4" zum Ausdrucken und Mitsticken. Die 24 einzelnen Vorlagen sind von der Größe her so konzipiert, dass es möglich ist, bei einem täglichen kleinen Stickpensum Weihnachten fertig zu sein. 
Gönnen Sie sich in der Weihnachtszeit, bei aller Hektik, täglich eine kleine Auszeit zum Sticken, um zur Ruhe zu kommen, um die Gedanken schweifen zu lassen und die Weihnachtsstimmung zu genießen.

Wir zeigen Ihnen täglich das komplette Stickbild zur Orientierung und den kleinen Abschnitt zum Ausdrucken.
Daneben gibt es aber ein Schaubild, auf dem genau aufgeführt ist, wo im Stickbild der jeweilige Ausschnitt positioniert ist. Dieses Schaubild schicken wir Ihnen auf Anforderung per Emailanhang zu. 
Nutzen Sie für Ihre Anforderung folgende Emailadresse:


Mittwoch, 27. November 2013

Handarbeiten in Berlin: Hinweis auf ein tolles Geschäft

Mitten in Mitte gibt es neues Handarbeitsparadies!

Ein Fachgeschäft für hochwertige und exklusive Wollen und Garne - handverlesen und importiert aus aller Welt, außerdem Zubehör rund ums Häkeln und Stricken, Magazine, Anleitungen, Kurse und Beratung.

Leider nicht zum Sticken, aber viele Handarbeiterinnen "fahren" ja mehrgleisig.



Auf jeden Fall wird sich jede Textilliebhaberin (und jeder Textilliebhaber) an dem tollen Angebot, das hier wunderschön und ansprechend präsentiert wird, und an den Farben erfreuen.


Und das finden Sie nahe dem Hackeschen Markt  am Monbijoupark mit Blick auf die Museumsinsel 












bei Kaffee und Kuchen - draußen



oder drinnen ....










handmade
BERLIN

Monbijouplatz 9
10178 Berlin
Tel. 030  97 00 55 15
Die Öffnungszeiten sind leider etwas rar und einzuplanen:
dienstags, mittwochs & freitags 12.00 - 19.00 Uhr

mehr über das komplette Angebot finden sie hier: http://www.handmadeberlin.net

Dienstag, 26. November 2013

Neuigkeiten in MONOCHROM II




Bevor es in Kürze mit Weihnachtlichem losgeht, kommt jetzt die 2. Stickvorlage der neuen Serie PASTELL - gestickt auf weißem 14er Leinen mit insgesamt 4 Grüntönen - natürlich in Seide.


Die fertige Stickerei ist ca. 17 x 17 cm groß.

Die Stickvorlage kostet 12 Euro, die Packung 32 Euro.






das Tuch in Rosa haben wir kürzlich schon vorgestellt

Beide Stickvorlagen - ebenfalls als Packung erhältlich - sind jetzt auch über unsere Website zu bestellen:

http://www.historischestickmuster.de/us_pastell.htm





Nr. 3 mit Rosetten in Blaugrüntönen ist noch in Arbeit.

Geplant ist, dass die Vorlage noch vor weihnachten fertig wird.



Montag, 25. November 2013

Vorgeschmack

Und hier kommt schon mal ein Vorgeschmack auf unser Weihnachtsspezial!
Wir haben natürlich schon vorgearbeitet. Hier die Version in Petit Point.


Wie Sie sehen, gibt es noch einiges zu sticken bis zur Fertigstellung. Im Petit Point Stich geht es natürlich wesentlich schneller als im Kreuzstich, da man sich jeweils die Rückreihe spart!

Samstag, 23. November 2013

Venedig - Biennale - der chilenische Beitrag



Chile


Alfredo Jaar
Venezia, Venezia. 2013

Immer wieder versinkt das Modell der Giardini und der dortigen Pavillons  in einem Becken mit schlammigem Wasser und taucht wieder auf.


Erwartungsvolle Spannung.
Immer mehr Menschen versammeln sich um das große quadratische Becken, das im Dunkeln nur von ein paar Strahlern beleuchtet wird.
Erst kommen ein paar Bläschen an die Oberfläche, dann sieht man dunkle Schatten unter der Wasseroberfläche. Bis allmählich alles an der Oberfläche ist. Kaum ist das ganze Modell zu sehen, wird es - wie von einer Welle erfasst - wieder verschwinden ..... immer wieder .....







Sie können es sich - mit Erläuterung des Künstlers - auch als Video ansehen:

http://www.labiennale.org/en/mediacenter/video/55-b45.html


Sie denken vielleicht, was hat das mit Sticken zu tun. Natürlich nichts!
Aber Kunst zu erleben macht glücklich.  / ujs

Donnerstag, 21. November 2013

Venedig - Biennale - Channa Horwitz




Ich hatte noch nie etwas von oder über Channa Horwitz gehört. Trotz der fast unüberschaubaren Fülle an Ausstellungsobjekten sind mir ihre Bilder sofort ins Auge gesprungen.

Sind dies Striche? Sind dies Fäden? Wie Gespinste sehen ihre Bilder aus.

Dann lernte ich folgendes:
Channa Horwitz  (1932 – 2013) war eine US-amerikanische Konzeptkünstlerin.
Ihre Arbeiten basieren auf Wiederholung und Geometrie. Seit Anfang der sechziger Jahre arbeitet Channa Horwitz mit Zahlen, Rhythmen, Bewegungen und an den Möglichkeiten, diese Strukturen zu visualisieren. Ihre Zeichnungen sind oft Diagramme, die Zeit und Bewegung festhalten und sich wie eine Form der Partitur lesen lassen.

Es sind keine Fäden. Es sind feinste Striche, exakt gezeichnet.
Channa Horwitz arbeitet mit Plaka bzw. Tinte auf Millimeterpapier oder Polyesterfolie (Mylar)

Da ich so begeistert war, habe ich nach weiteren Informationen über Channa Horwitz gesucht. Und habe ein Interview mit ihr gefunden in artnet. Toll! Eine Frau, die Kunst macht .... und sehr amerikanisch, natürlich ...



Channa Horwitz im artnet-Gespräch

In zwei Stunden die Welt notieren
Dominikus Müller / 29. Dezember 2009

Channa Horwitz, Sie haben einmal gesagt: „Ich erlebe Freiheit durch die Beschränkungen, die ich meiner Arbeit auferlege.“ Warum sucht man sich ausgerechnet Beschränkung aus, wenn man Freiheit ausdrücken will?

Ich habe das einmal so erklärt: Wenn ich alles Geld der Welt hätte und damit alles tun könnte, was ich wollte – hätte ich dann auch die Möglichkeit, dies alles wirklich zu machen? Nein, natürlich nicht. Ich kann einfach nicht die ganze Welt sehen. Ich müsste also eine Auswahl treffen. Ich schätze es zum Beispiel sehr, gut zu essen. Also würde ich mich vielleicht dafür entscheiden, nach Europa zu gehen, dort die acht bis zehn besten Köche ausfindig machen, um dann aufzuessen zu versuchen, was immer sie kochen. Und das wär‘s dann auch schon! Je weniger Auswahl man nämlich hat, desto mehr Freiheit kann man bei der Wahl empfinden. Um ein anderes Beispiel zu nehmen: Der Teekessel auf dem Ofen rappelt und wackelt wie wahnsinnig und macht die ganze Zeit Geräusche, einfach deshalb, weil die Öffnung, aus der der Dampf entweichen kann, so klein ist. Ein normaler Topf dagegen springt überhaupt nicht. Warum? Weil es dort eine große Öffnung gibt, aus der der Dampf ungehindert entweichen kann.


Also meinen Sie mit Beschränkung einfach nur Konzentration?

Eine Beschränkung der Möglichkeiten gibt Kraft.

Ist Ihre künstlerische Beschränkung auf einige wenige Elemente eine Form der Meditation?


Nein, ich meditiere nicht. Man könnte meine Arbeit wohl als eine Form der Meditation verstehen, vielleicht einfach wegen des Umstands, dass ich ständig wiederhole, was ich mache. Aber das ist nicht meine Art und Weise, darüber nachzudenken.

Sie machen schon seit beinahe fünfzig Jahren Kunst. Wie hat das denn für Sie angefangen?

Ich bin in den frühen 1950er-Jahren für ein Jahr zur Kunsthochschule gegangen, habe dann aber geheiratet und Kinder bekommen. Als meine Kinder eines Tages zur Schule gingen, habe ich mich dann auch weiter um meine Kunstausbildung kümmern können. Ich war drei Jahre lang auf der Hochschule. Aber ich habe damit aufgehört, nachdem ich begonnen hatte, meine eigenen Fragen zu stellen.

Ihre eigenen Fragen?

Ja, ich begann, mir ernsthaft Fragen zu stellen, nachdem ich die Schule im Jahr 1963 verlassen hatte; und ich hatte meine erste Ausstellung 1969. Etwa um diese Zeit herum begann ich, wichtige Fragen zu stellen…

Aber Sie meinen keine „akademischen“ Fragen?

Nein, ich befragte die leere Leinwand. Mit solchen Fragen wie „Was passiert, wenn …?“ Und ich versuchte, all diese Fragen direkt auf der Leinwand zu beantworten. Ich habe immer nach Antworten gesucht, indem ich meine Arbeit tat.

Wenn wir über Wahlfreiheit sprechen und über das Fragenstellen, reden wir über Autonomie. Als Künstler, noch dazu als Künstlerin, eigene Fragen zu stellen und sich nicht dem zu unterwerfen, was die anderen tun, ist ein ziemlich autonomer Akt. Und darum scheint es Ihnen ja zu gehen. Aber war die beginnende Frauenbewegung zu diesem Zeitpunkt nicht auf ihre Art und Weise vor die gleichen Fragen gestellt?

Nein. Als Künstlerin musste ich einfach danach suchen, was ich zu sagen hatte. Und was ich dann als Künstlerin sagte, hatte einfach und allein mit diesen Fragen zu tun, und den künstlerischen Antworten, die ich durch meine Arbeit darauf finden konnte. Ich war nicht daran interessiert, was andere vor mir gemacht hatten; ich wollte etwas schaffen, das niemand vorher gemacht hatte. Ich wollte neue Ideen für die Kunst schaffen und neue Wege öffnen, denen die anderen dann folgen konnten.
 

Sind Sie nicht auch einem wachsenden Bedürfnis nach Freiheit gefolgt?

Meine Suche hatte mit meiner Arbeit zu tun und damit, wohin mich meine Fragen in Bezug auf diese Arbeit führten.

Ist denn die Autonomie entscheidender oder das Echo auf diese Autonomie? Vor einigen Monaten habe ich ein Interview mit Verena Pfisterer gemacht, einer deutschen Künstlerin aus den 1960er- und frühen 70er-Jahren, die aber nach nur wenigen Jahren aufgehört hatte, Kunst zu machen. Und Sie sagte, dass sei vor allem deshalb geschehen, da ihr das fehlte, was sie ihren „Spiegel“ nannte: Resonanz durch andere.
  

Oh ja! Feedback ist extrem wichtig, unglaublich wichtig … aber auch ich hatte keins.

Aber Sie haben anders als Pfisterer einfach weitergemacht. Wie geht das ohne Reaktion von außen?

Ich war so hungrig nach Reaktionen auf meine Arbeit, dass ich sogar die Briefträgerin gefragt habe, ob ich ihr zeigen dürfte, was ich gerade gemacht habe.

Ganz einfach deswegen, weil niemand anderer da war, mit dem man reden konnte. Auch mein erster Ehemann dachte, was ich mache sei komplett verrückt. Mein zweiter Ehemann dagegen findet es einfach sehr gut, dass ich beschäftigt bin. Aber auch er weiß nichts über Kunst, nicht mehr zumindest, als ich über sein politisches Engagement Bescheid weiß. Ich meine, er ist einfach so glücklich, dass ich beschäftigt bin, und ich bin glücklich, dass er beschäftigt ist.
Ich lasse ihn in Ruhe sein Ding machen und er lässt mich in Ruhe mein Ding machen. Und wir treffen uns, um das zu teilen. 

Das ist schlicht Romantik!

Oh mein Gott, das ist das Beste! Er teilt alles mit mir und ich teile alles mit ihm. Außerdem unterstützt er mich, wo er kann … ich meine, ich bin 77 Jahre alt und meine Karriere beginnt gerade erst!

Haben Sie eigentlich in all der Zeit geahnt, dass ihre Arbeit irgendwann einmal gewürdigt würde?
 
Eigentlich dachte ich, dass es erst nach meinem Tod so weit ist. Aber ich wusste, dass meine Kunst wichtig war. Denn sie ist ehrlich.




Sie arbeiten seit beinahe einem halben Jahrhundert an einer Art „Kardinalthema“, dem Thema der „Variation“ – wie haben Sie es geschafft, diese Frage so lange zu verfolgen?

Nachdem ich die Schule verlassen hatte, schränkte ich meine Möglichkeiten ganz rigoros ein: die Auswahl der Farben auf Schwarz und Weiß, die Formen auf Kreise und Vierecke. Das war also etwa zur Mitte der 1960er-Jahre. Und einige Jahre später, 1968 um genau zu sein, reichte ich ein Proposal für die „Art and Technology“-Ausstellung im L.A. County Museum of Art ein. Dafür entwarf ich eine Skulptur mit acht sich bewegenden Teilen und mit acht Licht-Strahlen…

Diese Zahl, die Acht, Sie benutzen sie ständig, nicht?

Das liegt einfach an meinem Zeichenpapier. Ich hatte die Wahl zwischen Papier mit fünf, acht oder zehn Linien per Zoll. Rein ästhetisch mochte ich die acht Linien nun mal am liebsten. Und durch das ständige Benutzen dieses Papiers machte ich diese Zahl zu einem Teil meiner eigenen Sprache. Ich wählte auch acht Farben aus. Und auch die benutze ich immer noch. Wie auch immer, bei dieser Licht-Skulptur fragte ich mich zunächst einfach, wie diese acht Strahlen sich über eine bestimmte Zeitlänge im Aussehen verändern würden. Also notierte ich diese Strahlen auf meinem Zeichenpapier, mit einem Zeitrahmen von 10 Minuten...

Sie hatten ein Notationssystem geschaffen.

Es war unglaublich faszinierend für mich, dass ich so einfach Bewegung notieren konnte. Eben da begann mein Interesse an der Aufzeichnung von Tönen und Bewegung. Ich war wirklich total begeistert davon, Bewegung auf Zeichenpapier festzuhalten. Kurz darauf fuhr ich mit meinem ersten Mann in den Urlaub. Und irgendwann wollte er Tennis spielen. Ich fragte aber nach der Erlaubnis, für ein paar Stunden auf dem Hotelzimmer zu bleiben, ihm also nicht beim Sport zugucken zu müssen.

Sie baten um Erlaubnis…

Oh ja, Sie müssen sich das vorstellen! Das war das Leben, das ich führte: Ich musste für alles, das von der Norm abwich, um Erlaubnis fragen. „Gut“, sagte er, „Das ist zwar nicht sehr gesellig, aber ok. Aber nur für zwei Stunden!“ Und da war ich also: allein in meinem Zimmer mit einem Stoß Zeichenpapier und einem Stapel Stifte. Und ich zeichnete meine sogenannten „Compositions“, Nummer 1, 2 und 3. Und da begriff ich, dass ich streng genommen alles notieren konnte, einfach mit diesen kleinen Kästchen auf dem Zeichenpapier: Sie konnten Bewegung sichtbar machen, sie konnten Notenwerte repräsentieren, sie konnten für Farben stehen. Und so könnte diese Notation alle Künste in sich aufnehmen! Sie konnte Worte beschreiben oder Kategorien, alles, was sich durch Notation fassen ließ. Es fühlte sich ganz so an, als ob ich eine neue Sprache entdeckt hatte, eine, die von allen Künsten verstanden werden konnte. Aber da waren die zwei Stunden auch schon vorbei und ich musste zum Tennisplatz.

Sie hatten nicht viel Zeit zum Erfinden.

Ich ging nicht ohne mein Material mitzunehmen. Und wenn niemand zusah, malte ich heimlich all die kleinen Kästchen auf dem Zeichenpapier aus. Plötzlich kam die Frau, die das Tennisspiel organisierte, herüber – ich versuchte erst einmal zu verbergen, was ich tat. Aber sie fragte: „Was machen Sie denn da?“ Also zeigte ich ihr diese kleinen Kästchen mit den 64 Farben ... und sie meinte: „Oh, mein Neffe hat gerade auch erst so etwas gemacht.“ Ich wurde natürlich total aufgeregt und fragte: „Was hat er gemacht?“ und sie antwortete: „Einen Aschenbecher.“

Das ist hart. Und leider auch ziemlich dumm.

Ich war aber diejenige, die dachte, dass es total dumm ist, was ich mache. Und meine Begeisterung darüber, eine vermeintliche gemeinsame Sprache für alle Künste gefunden zu haben, verwandelte sich in ein Gefühl von Dummheit angesichts dessen, was ich da gerade geschaffen hatte. Ich hatte dieses total neue Konzept – aber ich konnte überhaupt nicht damit umgehen.

Und trotzdem haben Sie nicht aufgeben?

Ich bin zurück ins Studio und habe einfach weitergemacht. Und an einem Punkt entschied ich mich dann, dass ich diese neuen Arbeiten in meiner nächsten Ausstellung zeigen wollte. Ich stellte also meine ersten Notationen aus, dazu Performances mit Tänzern, Skulpturen, meine sogenannten „Breathers“ und sogar eine Dia-Show ... im Kurzen und Ganzen: Meine Ausstellung war eine komplette Multi-Media-Show. Und von da ab begann ich auch, meine Notationen „Sonakinatography“ zu nennen, im Sinne von: Klang-Bewegung-Aufzeichnung.

Und wie wurde die Ausstellung dann aufgenommen?

Ein Kritiker der New York Times schrieb: „Hübsche Notationen einer Hausfrau aus dem Valley“ und eine andere Kritikerin... nun, als ich ihr meine Arbeit zeigte sagte sie nur: „Channa, ich glaube wirklich nicht, dass das, was du da machst, Kunst ist!“

Aber mal ehrlich: Wie konnten Sie die ganze Zeit weitermachen ohne den Mut zu verlieren – angesichts derartiger Kommentare?

Einfach, weil ich aus ganzer Überzeugung an das glaubte, was ich tat. Und da brauchte ich keine anderen Leute, um mir zu sagen, dass das, was ich tue, großartig und toll ist. Ich brauchte einfach nur zu glauben.

Aber die Anerkennung hat Ihnen doch gefehlt?

Ich hatte das große Glück, dass mein Mann mich wirklich unterstützt hat mit meiner Arbeit. Von Anbeginn an hatte ich dieses unglaubliche Studio und all die Materialien, die ich brauchte. Damit konnte ich tun, was ich wollte, ich konnte die ganze Welt erfinden! Und Bestätigung? Klar ist das wichtig. Aber trotzdem kann mir Bestätigung eigentlich nur sagen, was ich doch sowieso schon weiß. Ich hätte nicht so lange weitermachen können, ohne das, was ich da tat, aus tiefstem Herzen zu fühlen. Nicht ohne zu wissen, dass es eine bestimmte Relevanz besaß. Ich könnte nicht sagen, ob meine Arbeit gut ist oder nicht – aber sie ist voller Wahrheit und sie ist ehrlich. Vielleicht würde ich nie Anerkennung dafür bekommen, dachte ich, aber ich hatte immer das Gefühl, dass meine Kinder sie bekommen würden. Also war meine Arbeit immer auch ein „Investment“ für sie. Und deswegen habe ich darauf aufgepasst. Und dann, eines Tages, fand mich Michael Solway, ein Galerist aus Los Angeles. Er kam einfach vorbei, um sich meine Arbeit anzusehen.

Sie hatten lange auf diese Entschädigung gewartet. Wie lange genau?

Vielleicht neun Jahre ist das jetzt her. Michael kam in mein Studio. Er setzte sich auf meinen Zeichenstuhl und drehte sich ein bisschen darauf herum. Dann sagte er: „Weißt Du, Channa, normalerweise, wenn ich einen Künstler oder eine Künstlerin deines Alters treffe, dann mag ich deren alte, aber nie deren neue Arbeiten. Aber bei Dir ist das anders. Ich liebe deine alte Arbeit und deine neue Arbeit.“ Und ich dachte nur: Ich habe meine gesamte Karriere darauf gewartet, das zu hören. Und jetzt, da ich es gehört habe, kann ich einfach weitermachen. Ich brauche es jetzt nicht noch einmal zu hören.

Montag, 18. November 2013

Vorweihnachtliche Termine in Berlin

Es wird schon weihnachtlich.
Hier die ersten Termine in Berlin:


Vorweihnachtliche Verkaufsausstellung
bei:
Sticken und Gestalten – Daniele von Fischer
Altensteinstrasse 58
14195 Berlin
Freitag   22.11.  15-19 Uhr
Samstag 23.11. 14-18 Uhr
Sonntag 24.11. 12-17 Uhr


 
Perlenspiel - Schmuck aus Alt & Neu
Lydia Hunger-Hamelmann

Modekollektion
Brigitta Jacobs
brigittajacobs@t-online.de

AnnaGlückstoff
Aus historischen und neuen Stoffen
www.annaglueckstoff.de


Ogni Giorno - jeden Tag Italien
Olivenöl, Balsamico, Prosecco und Wein
www.ognigiorno.de

Aquarelle und Grafik
Karl Rodenberg
www.karl-rodenberg.de

Textile Feinarbeiten - Sticken und Gestalten
Daniele von Fischer
www.sticken-gestalten.de

Digitale Kunst - Fotografie
Jan Hoffmann
www.art-jan-hoffmann.de
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Kunst & Handwerk in der Victoriastadt

Ebenfalls am 23. und 24. November von 11 bis 18 Uhr findet der Spaziergang nun schon zum 10. Mal statt.
Beteiligt sind Ateliers, Galerien, Läden, Lokale und das Museum Lichtenberg im Stadthaus.





Wo?
In der Türrschmidtstraße, Pfarrstraße, Kaskelstraße, Geusenstraße, Tucollaplatz in Berlin Lichtenberg, achten Sie auf die Luftballons!

Natürlich ist auch wieder die Galerie in der Victoriastadt dabei. Außer Natacha Wolters treffen wir hier: Pia Fischer, Anat Levin, Regine Söding, Heinz-Peter Wenzel, Rita Zepf.

Hier sind noch die Arbeiten der Ausstellung Gold Silber Kupfer (siehe Post vom 12. Oktober 2013) zu sehen. Das sollen Sie sich nicht entgehen lassen.


Galerie in der Victoriastadt
Türrschmidtstraße 12, 10317 Berlin
Fahrverbindungen:
Nöldnerplatz (S 5, S 7, S 75, Bus 194, 240, 396) oder Rummelsburg  S 3, Bus 194) oder
Marktstraße (Bus 240, Tram 21)

alle anderen Locations befinden sich in unmittelbarer Nähe der Galerie



Sonntag, 17. November 2013

Fundstück


Gestern kam mit der FAZ eine fulminate Beilage: Das FAZ Magazin mit einem mehrseitigen Artikel über die letzten italienischen Seidenweber. Das Lesen lohnt sich. Vorgestellt werden drei sehr alte Firmen, ansässig in Venedig, Florenz und Neapel, die sich trotz der Konkurrenz aus Fernost im Seidenwebergeschäft behaupten können und ihre alten Muster teilweise noch auf Handwebstühlen weben. Mehr Qualität geht nicht!
Hier die Links, die zur jeweiligen Homepage der Firma führen. An den schweren Seidenstoffen kann man sich nicht sattsehen: 

Antico setificio fiorentino

Samstag, 16. November 2013

Ausstellung! Nicht verpassen

To open Eyes, Kunst und Textil vom Bauhaus bis heute 
 in der Bielefelder Kunsthalle
Eröffnung Sonntag 11.30 Uhr
bis 16. Februar 2014
di-so 11-18 Uhr, mi bis 21 Uhr, sa 10-18 Uhr, Katalog 29 €

Die Schau ist eine Entdeckungsreise in die Geschichte einer Kunstform, die hochaktuell geworden ist. Museen nehmen textile Kunst wahr. Sowohl in Mönchengladbach, Museum Abteiberg, als auch in Wolfsburg - wir haben darauf hingewiesen - sind kürzlich große Ausstellungen zur Textilkunst gelaufen. Ab Sonntag ist in der Bielefelder Kunsthalle eine Schau zu sehen, die Kunst mit textilen Stoffen erlebbar machen will.

Donnerstag, 14. November 2013

Venedig - Biennale - Textile Überraschungen








Das gab es auch auf der Biennale zu sehen:


Haitianische Vodou-Flaggen
mit Pailletten und Perlen auf Baumwollstoff oder Samt


Zu Vodou gab es 2010 eine große Ausstellung in Berlin, mehr dazu können Sie hier lesen:


http://universes-in-universe.org/deu/specials/2010/vodou






Danh Vo
Ohne Titel (Weihnachten, Rom, 2012). 2013
Samt, jeweils etwa 230 x 164


Diese Stücke des vietnamesischen Künstlers Danh Vo haben mir besonders gut gefallen.

Was mag da gehangen haben auf diesen Samtstoffen?




















Montag, 11. November 2013

Venedig - Biennale ARSENALE



Der Bau des Arsenale wurde um 1100 begonnen. Diese Werft gilt als größter Produktionsbetrieb Europas vor dem Zeitalter der Industrialisierung.

Im Zuge des Aufstiegs Venedigs zur europäischen Seemacht wurde das Arsenale mehrmals erweitert. Das Arsenale enthielt neben den Schiffsbecken, den Schreinereien, den Kalfateranlagen und einer langen Seilhalle, in der die Schiffstaue gedreht wurden, auch Erz- und Gießhütten sowie Pulverlager und das

Waffendepot, was eine strenge Überwachung der Belegschaft durch die venezianische Sicherheitspolizei nötig machte.

Das Arsenale arbeitete außerordentlich effizient. Bereits Im 14. Jahrhundert erfolgte die Produktion der Galeeren in streng rationalisierten Arbeitsabläufen. Jedes Handelsschiff war so konstruiert, dass es in kürzester Zeit zu einem Kriegsschiff umgebaut werden konnte.
Die Bestandteile für die Galeeren waren genormt, wurden vorgefertigt und im Depot gelagert, so dass in kürzester Zeit 25 Schiffe einsatzfertig gemacht werden konnten. Im Krieg gegen die Türken wurden im Arsenal im Jahre 1570 innerhalb von zwei Wochen 100 Galeeren gebaut.



Diese Effizienz war nur durch eine straffe Organisation möglich. Oberste Leiter des Arsenals waren stets für eine befristete Zeit gewählte Mitglieder des Großen Rates. Sie wohnten in drei palazetti, die Paradiso, Purgatorio (Fegefeuer) und Inferno (Hölle) hießen. Es gab eine Vielzahl von Handwerkern wie Schiffszimmerleute, Pecher (Kalfaterer), Mastenkonstrukteure, Segelmacher, Schmiede, Gießereiarbeiter sowie für das Schießpulver und die Bewaffnung. Die Arbeiter waren in Zünften organisiert. Sie waren sehr angesehen, wurden gut entlohnt und genossen eine Reihe von Privilegien, um ein eventuelles Abwandern zur Konkurrenz zu verhindern. Es wurde ihnen auch Wohnraum zur Verfügung gestellt.


Lange stand der frühere Rüstungsbetrieb, der militärisches Sperrgebiet war, leer. Das Arsenale begann zu zerfallen.
Im Jahre1999 fand anlässlich der 48. Biennale eine große Rettungsaktion für das Arsenale statt. Umfangreiche Restaurierungsarbeiten wurden durchgeführt. Das Gelände bietet insgesamt 17.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche.


Zusätzlich gibt es mehr und mehr Ausstellungsorte in der ganzen Stadt verteilt - in Kirchen, Palazzi, scuole und aufgelassenen Werkshallen - die Zahl der teilnehmenden Nationen nimmt ständig zu.

Quellen:
Wikipedia, art spezial Biennale Venedig
















Nun kommen wir zu Arthur Bispo do Rosário, der Auslöser für die Reise zur diesjährigen Biennale. Im Juni wurde in ttt ein kurzer Beitrag über die Biennale gezeigt und ein noch kürzeres Schnipselchen Film über Arthur Bispo do Rosário.



Spontane Reaktion: da muss ich hin!


Arthur Bispo do Rosário schuf den allergrößten Teil seiner Werke in den 50 Jahren, die er von 1938 bis zu seinem Tod in der psychiatrischen Klinik
 Colônia Juliano Moreira in der Nähe von Rio de Janeiro interniert war. Dort vollzog sich ein künstlerischer Weg von ungeheurer Intensität und Freiheit, der eines der wunderbarsten Œuvres in der brasilianischen Kunst hervorbrachte. Darin verbinden sich autobiografische Elemente und Kreativitität.


Der blaue Faden, den Bispo do Rosário für seine Stickereien verwendete, entnahm er den Uniformen des psychiatrischen Krankenhauses. Eine kritische Analyse belegte,dass er den Schutz und die stabilen Verhältnisse in dem Asyl nutzte, um sich seiner schöpferischen Leidenschaft zu widmen.

Seine Arbeiten sind ein Ausdruck dessen, wie er das Universum wahrnahm. Zum Beispiel nummerierte er unendlich alle Personen, die ihm begegneten,  und bezog in seine Werke jedes Element ein, mit dem er in seinem Alltag zu tun hatte.
Die Arbeiten belegen seinen Glauben an Gott, ohne auf Kritik an dogmatischen Positionen zu verzichten, was in hunderten, obsessiv in Stickereien ausgeführten Texten zum Ausdruck kommt.


Aus dem Short Guide der 11. Biennale Lyon, 2011, Frankreich.
Kuratorin: Victoria Noorthoorn
Aus dem Englischen: Haupt & Binder

Vorbereitung auf die Ewigkeit

Aus einem Gespräch der Autorin mit Wilson Lázaro im November 2008.
Author: Katrin Bettina Müller
culturebase@hkw.de
In den letzten Jahren geriet Arthur Bispo do Rosário zu einem heißen Exportschlager der Kunst aus Brasilien. Dabei hat Rosàrio, der 50 Jahre lang in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses in Rio de Janeiro lebte, sich selbst nie als Künstler verstanden:


Mit seinem Werk wollte er einen spirituellen Auftrag erfüllen. Bispo do Rosário war ein Autodidakt und in seiner Arbeit auf die Materialien seiner Umgebung beschränkt,
aber in seinen Stickereien und Assemblagen finden sich viele Konzepte der Moderne wieder.
Das Werk Arthur Bispo do Rosários ist nicht von seiner persönlichen Geschichte zu trennen. Er
gehörte zu den Außenseitern, die sich selbst nicht als Künstler sehen, sondern ihr Werk als persönlichen Auftrag begreifen.
Die Verbindung zur Kunstwelt haben in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts andere für ihn hergestellt, wie etwa die brasilianische Künstlerin Lygia Clark oder Frederico Moraes,
der 1989 Rosários erste Ausstellung in Rio de Janeiro organisierte. Gleichwohl sorgt das Museu Bispo do Rosário Arte Contemporana in Rio, das seit 2000 sein 802 Arbeiten umfassendes Werk verwaltet, für einen Rahmen, der die Parallelen zwischen dem individuellen Kosmos Bispo do Rosários und den Kunstkonzepten der Moderne vom Surrealismus bis zur inszenierten Fotografie aufzeigt.
Geboren 1911 (anderen Quellen zufolge 1909) in Japaratuba, Sergipe an der Ostküste Brasiliens, arbeitete Bispo do Rosário zunächst als Schiffsjunge, Signalgeberin der Marine und als Boxer. 1933 wegen Aufsässigkeit entlassen, schlug er sich in Rio de Janeiro fünf Jahre lang mit Jobs in Elektrizitätswerken,Hotels und als Hausangestellter durch, bis er 1938 erstmals in psychiatrische Betreuung kam. Er hielt sich für den Heiligen Joseph, dem Jesus begleitet von blauen Engeln erschienen war.
Im Krankenhaus Colinia Juliano Moreira begann er, einem göttlichen Auftrag folgend, kreativ zu arbeiten. Seine Werke
wucherten bald über einen ganzen Gebäudetrakt. Er verbrachte dort die nächsten 50 Jahre bis zu seinem Tod und bereitete sich mit allem, was er tat,und allem, was er herstellte, auf das Jüngste Gericht vor.

Ein wichtiges Element seiner Werke ist die Sprache: Er stickte seine Botschaften auf Stoffe, die er dort, wo er lebte, erhalten konnte: Betttücher, Tagesdecken, alte Uniformen, Anstaltskleidung. Dass Männer sich mit der langsamen und meditativen Arbeit befassen, entsprach einer Tradition in seiner Heimatstadt Japaratuba: Dort sind es die Männer, die die Banner und Kostüme für die Prozession der Madonna sticken. In dieser handwerklichen Technik drückte sich Bispo do Rosário mit großer Sicherheit aus, er brauchte weder Entwürfe noch Vorzeichnungen.

Seine Texte sind vielfältig. Es gibt Gedichte, aber auch Werbetexte für Bibeln, die mit der überaus ironischen Feststellung enden „aber selbst mit Bibel ist man
verlassen in der Psychiatrie“. In anderen Texten kommentiert er das Zeitgeschehen oder erzählt von einer unmöglichen Liebe. Die gestickten Buchstaben, oft groß und deutlich ausgeführt, erinnern dabei in ihrer ornamentalen Pracht an die Inkunabeln mittelalterlicher Buchkunst. Ebenso hat dieVielseitigkeit der Stoffe, die mal ein kleinteiliges, farbenprächtiges Patchwork bilden, mal so groß wie die Decken sind, etwas vom Charakter der arte povera, der kein Stofffetzen zu gering ist, um nicht mit einer Geste der Demut und einem symbolischen Gehalt belegt zu werden.


Bispo do Rosário schrieb nicht nur auf Stoffen, sondern auch auf Papier, Pappe und Holz, baute Stellagen für seine Inventare aus unzähligen Tafeln. Namenslisten, Zahlenkolonnen, Ordnungsystemen: So arbeitete er ständig an einer Katalogisierung des eigenen Lebens. Damit setzt ihn Valerie Smith, die ihn 2008 als Kuratorin der Ausstellung „Rational / Irrational“ im Haus der Kulturen der Welt das erste Mal in Deutschland ausstellt, mit den Konzepten der Hamburger Konzeptkünstlerin Hanne Darboven in Beziehung: Deren Werk tritt dem permanenten Verstreichen der Zeit mit Systematiken des Festhaltens entgegen.
Seine Vergangenheit als Boxer und vor allem sein Leben als Seemann tauchen in Bispos Bildkosmos vielfach auf. Er entwarf ganze Topographien Brasiliens und besetzte sie mit detailreich ausgestatteten, gestickten Schiffen, aus denen kleine silberne Ankerketten baumeln.
Die Materialien dienten ihm fast immer als
Grundlage einer Umdeutung: Er baute Betten mit seidenen Kordeln zu Himmelsfahrzeugen und Fahrräder zu Glücksrädern um, legte Assemblagen aus Knöpfen, Besen, Tassen, Löffeln, Gummistiefeln und Flaschen an. Manchmal verband er unterschiedlichste Dinge wie in einem fahrbaren Marktstand.

Viele Elemente seiner Werke sind farblich komponiert, leere Flaschen etwa sind mit farbigen Papierschnipseln gefüllt.
So bestickte er auch Jacken und machte sie zu Zeremonialgewändern. Es gibt 32 Fotografien, auf denen er diese Kostüme vorführt. Wie Wilson Lázaro, Kurator des Museu Bispo do Rosário Arte Contemporana, betont, wies er die Fotografen dabei sehr genau an, wie er aufgenommen werden sollte.


Wilson Lázaro weiß auch, dass Arthur Bispo do Rosário die meiste Zeit seiner Jahre im Krankenhaus einen Schlüssel besaß und damit einen Ausnahme-Status unter den Insassen genoss. Die Anstalt funktionierte für ihn als ein Schutzraum, in dem er in Ruhe seiner Sache nachgehen konnte. Trotzdem bei ihm eine
paranoide Schizophrenie diagnostiziert wurde, kamen die „harten“ Therapien seiner Zeit bei ihm nicht zur Anwendung. Tatsächlich beanspruchte er die Dienste anderer Patienten, des Personals und der Besucher der Anstalt, zum Beispiel bei der Materialbeschaffung. Sein Auftrag, die Vorbereitung auf das Jüngste Gericht, verlieh ihm eine Autorität, der andere sich zu fügen hatten. Er entschied, wer sein Werk sehen durfte. Deshalb beinhaltet sein künstlerisches Werk, das eigentlich eine gigantische Einheit, eine fortgesetzte Akkumulation bildet, auch performative Akte.
Von hier lassen sich viele Linien zu den Ready Mades der frühen Moderne ziehen, den Assemblagen, die Fernandez Arman in den sechziger Jahren anlegte. Das erklärt, warum die Kunstwelt sich für den Autodidakten, der sich für sie nicht interessierte, begeistern konnte. Aber auch sein Rückzug, seine
Konzentration auf sein Werk, das er unabhängig von den Erfolgen und Misserfolgen der „Welt da draußen“ schuf, verleiht ihm bis heute eine besondere Aura. Sich als Künstler nicht über eine Position am Kunstmarkt zu definieren und unabhängig vom Kunstbetrieb zu agieren, ist eine selten gewordene
Tugend. Gerade um derentwillen öffnet sich der Kunstbetrieb von Zeit zu Zeit Außenseitern wie Arthur Bispo do Rosário, die einen unberührten Schöpferbegriff verkörpern.

So kam Bispo do Rosário 1995 auf die Biennale in Venedig. Seit Beginn der neunziger Jahre waren seine Arbeiten in vielen Gruppenausstellungen in Brasilien zu sehen, 2003 erhielt er eine Soloshow im Jeu de Paume in Paris.